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  Motor-Rad-Reisen

Island 2010

Eisige Insel im Nordatlantik


Bestandsaufnahme

Nicht ganz in der Mitte des letzten Jahrzehntes des vorigen Jahrtausends stehen zwei Reisefreudige im Oktober vor der Erkenntnis noch zehn Urlaubstage bis zum Ende des Jahres nehmen zu müssen.


Mit der Überlegung, sich auf die Sonne freuend, im Süden Schiffbruch zu erleiden, weil es dort ja auch mal regnen muss, entscheiden sie sich kurzerhand für ein Reiseziel, an dem das Wetter zu dieser Zeit garantiert schlecht ist. Wenn man sich mental darauf einstellt, wird man auch nicht enttäuscht, so ihre Überlegung. Sie begeben sich im November für zehn Tage nach Island.


Die Sache ging gründlich schief. Von den zehn Tagen herrschte neun Tage lang sonniges Hochdruckwetter. Niemals war es wärmer als minus fünf Grad und permanent wehte der Wind stark, aber immerhin schien die Sonne. Im November! Sie bekamen nur einen relativ kleinen Teil Islands zu sehen, dieser war jedoch großartig in der Wirkung.
Alles in allem rief dies ein Gefühl des Unbedingtwiederkommenwollens hervor. Aber es müsste definitiv ein eigenes Fahrzeug eingesetzt werden können. Erst individual reisend, jederzeit die Möglichkeit besitzend anzuhalten oder auch Neben- und Stichstraßen benutzen zu können, eröffnet die Chance Island wirklich zu erfahren. Der Wunsch nach einem eigenen Fahrzeug basierte erheblich auf den Mietwagenpreisen Mitte der Neunziger. Selbst für den noch stark herrunter gehandelten Nebensaisonpreis im November, hätte man in Deutschland locker einen Wagen mit zwei Jahren TÜV bekommen können.


Also was lag näher als ein entsprechendes Fahrzeug zu beschaffen und sich in Richtung Island auf zu machen ? Nun genau das war der springende Punkt. Denn alles andere schien quasi näher zu liegen als Island. Vom dänischen Jütland bis an die isländische Ostküste sind es gut 1800 km. Das Schiff der faröischen Reederei Smyril Line startete einmal pro Woche von Dänemark in Richtung Island, aber nur grob in Richtung Island. Denn zunächst wurde Torshavn auf den Färöer-Inseln angelaufen, wo alle Islandreisende mit ihren Fahrzeugen für zwei Tage von Bord mussten, da das Schiff erst nach einem Abstecher über Bergen (Norwegen) und Scrabster (Schottland) wieder Torshavn anlief, um anschließend die Fahrt nach Island fortzusetzen. Das alles erschien zu kapriziös, zeit- und kostenintensiv, um weiter verfolgt zu werden.


Lagune am Vatnajökull, 1994


Als Erinnerung blieb das damals vom Flieger aus aufgenommene Foto vom Vatnajökull und der bizarren Lagune, von der aus die Eisbrocken ins Meer treiben. In einer hochdrehenden „Montag bis Freitag Arbeitswelt“ war es oft die Quelle für wertvolle Sekunden des Innehaltens, um leidenschaftlichen Fernweh-Träumen nachzuhängen, es hang nämlich direkt am Arbeitsplatz. Ergebnis der Bestandsaufnahme : Eine offene Rechnung.


Der Impuls

Eine 2009 eher zufällig entdeckte Information, dass das Schiff der Smyril-Line nunmehr, von einem mehrstündigen Aufenthalt in Torshavn abgesehen, direkt nach Ostisland dampft, war der Startschuss für die Tour 2010.


Die Vorbereitung

Eine Reisevorbereitung ist vom Wesen her nicht zwangsläufig mit der Ausarbeitung eines Planes gleichzusetzen. Man sollte dem Zufall wenigstens eine kleine Chance lassen.
Im vorliegenden Fall hatte er sogar eine große Chance. Denn um ehrlich zu sein, beschränkte sich die Reisevorbereitung im Wesentlichen auf das Buchen der Fährtickets.
In den Zeitraum zwischen Buchung und Abreise drängte sich ein Umzug, der an sich nicht geplant war. Dadurch war die Vorfreude, wie ich versichern kann, nicht die größere Freude. Es dominierte ganz klar die Abfahrfreude.


Trotzig redete ich mir noch ein, dass die meisten Reisebuchautoren eh nur voneinander abschreiben und der Grad an neuer Erkenntnis vermutlich sowieso gering ist.
So erfand zum Beispiel der Künstler Wolfgang Müller in einem Artikel in der Jahresendausgabe (30.12.1995) der Frankfurter Rundschau das Amt der Elfenbeauftragten, die im Bauamt der Stadt Reykjavik beschäftigt sei. Die Nachricht verbreitete sich rasch über die Medien und fand Eingang in zahlreiche Reiseführer. Tatsächlich gab und gibt es das Amt jedoch nicht. Es wäre interessant zu recherchieren, in wie vielen Büchern dies noch zu finden ist.

Elfen unterwegs

Das es Isländer gibt, die an die Existenz von Elfen glauben, ist von obiger Tatsache völlig unbenommen. Das man selber irgendwann beginnt dies zu mindestens nicht auszuschließen, erscheint mir lediglich eine Frage der Zeit zu sein, die man in dieser wunderlichen Ödnis verbringt.


Eine der isländische Landschaften


Am Gletscher


Wenn es überhaupt ein Buch gibt, dass Island verkörpert, so ist es für mich persönlich „Am Gletscher“ von Halldor Laxness (1902-1998).

"Am Gletscher"


Auch am Gletscher, nämlich am Ort des Geschehens.


Dummerweise habe ich im Zuge der Nichtreisevorbereitungen vergessen dieses besondere Buch einzupacken. Aber andererseits war mir die abgefahrene Story auch so noch sehr präsent. Und das obwohl die Lektüre über eineinhalb Jahrzehnte zurücklag, was ja nicht gerade gegen das Buch spricht. Immerhin gelang es mir in Reykjavik eine Ausgabe zu erstehen, um im direkten Vergleich mit den eigenen aktuellen Erlebnissen, nicht nur die abschließende Fährpassage zu genießen, sondern auch das Erlebte dadurch noch intensiver zu verinnerlichen. (Flugzeuge sind einfach zu schnell für so etwas.)
Halldor Laxness gilt als der erste isländische Autor der Neuzeit, der Weltruhm erlangte. 1955 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Allein dadurch avanciert Island zu dem Staat mit der höchsten Nobelpreisdichte je Einwohner (2009 : ca 318.000 Einwohner).


Der Roman „Am Gletscher“ ist von der humanistischen Denkweise Laxness geprägt.
Auszug vom Klappentext (Steidl Verlag, Göttingen): „Im äußersten Westen Islands liegt der Snaefellsgletscher, an seinem Fuße versieht Pfarrer Jon Primus sein Amt. Doch die Seelsorge, die er den Menschen (und Tieren) angedeihen lässt, ist von ganz eigener Art. Was dem Bischof davon zu Ohren kommt, gibt Anlass zur Besorgnis : Der Mann repariere die Kirche nicht, taufe die Kinder nicht, beerdige die Toten nicht… All dies zu erkunden ist keine leichte Aufgabe für den jungen Theologen, der sich als Vertreter des Bischofs – kurz „Vebi“ – mit Tonbandgerät und Stenoblock in die Abgeschiedenheit des Gletschers begibt. Er macht skurrile Bekanntschaften, hört sagenhafte Erzählungen und wird in krude Dispute verwickelt. Und er trifft auf eine „Wahrheit“, die sich nicht protokollieren lässt.“


Die folgenden Ausführungen versuchen sich ein wenig daran zu orientieren. Nicht, dass ich mich mit Laxness messen möchte, aber für mich ist „Am Gletscher“ nach dieser Reise noch dichter mit Island verwoben als es vorher ohnehin schon war.
Im Mittelpunkt soll auch weniger das Seelenheil der isländischen Gemeinde stehen, als vielmehr das des Motorradreisenden – kurz „Morei“ – selbst. Betrachten wir die Islandtour als Seelsorge im eigenen Dienste.


Wem dies gefällt, der lese weiter, schaue sich die Bilder an und vertiefe sich anschließend in „Am Gletscher“. Wem dies nicht gefällt, der schaue sich nur die Bilder an und vertiefe sich anschließend in „Am Gletscher“.
Etwaige Forderungen hinsichtlich Aufwendungen daraus entstehender Islandreisen lehnt der Betreiber dieser Homepage kategorisch ab.


Vorläufige Zwischenbilanz des Morei:

Motorradfahren auf dem Mond IST möglich.



Ein Sonnenbrand auf Island IST möglich.

Eine Inselumrundung mit weniger als 5 (in Worten fünf) Fahrstunden im Regen IST möglich.

Ein Sandsturm mitten im Nordatlantik IST möglich.


Die Existenz von Elfenwiddern (siehe „Am Gletscher“) IST bewiesen.



Bericht über die Reise durch das nördliche Meer

Die oben beschriebenen Umstände des Umzuges zwingen den Morei zu einem regelrechten Le Mans Start. Auf dem Weg zur Fähre werden in Flensburg noch rasch anstehende Bankgeschäfte erledigt. Erst mit dem letzten Druck auf die Enter-Taste des Bankautomates wird der Urlaubsschalter auf ‚on‘ gelegt.
Anfang Juni herrscht bei der Smyril Line noch Vorsaison. Daher startet die „Norröna“ anstatt von Hirtshals von Esbjerg. Von der Anfahrtsstrecke fast ein Heimspiel für den Morei.


Am Fährterminal werden die Zweiradfahrer auf eine gesonderte Aufstellposition gelotst. Über ein Dutzend Motorräder warten auf das Bording. Von österreichischen Einzylindern bis zu Touratech hochgerüsteten bayrischen Größtenduros ist alles vertreten.

Normalerweise glucken Mopedfahrer in solchen Situationen sofort zusammen. Aber die Atmosphäre am Terminal ist irgendwie kühl, es kommen kaum Gespräche auf. Und das in so einer nach Abenteuer rufenden Situation, am Kai der Atlantikfähre. Das irritiert den Morei gewaltig und er kommt sich fast etwas verlassen vor. Angekommen und doch noch nicht da, geht es ihm durch den Kopf. Vielleicht sind die Fahrer einfach nur angespannt und in sich gekehrt wie Wettkämpfer vor dem Start. Vielleicht sinniert jeder mit etwas Unsicherheit, was ihn wohl erwarten mag. Möglicherweise liegt es auch daran, dass ein erstaunlich großer Teil der Wartenden aus Polen kommt (die mit den 20.000,-Euro BMW‘s), nicht Englisch spricht und eher unter sich bleiben will. Egal, der Morei hängt seinen eigenen Gedanken nach und lässt das sich zunehmend einstellende Gefühl wieder unterwegs zu sein zu…


„…war´ne harte Überfahrt…“ (Aloha heja he, Achim Reichel). Die Wellenhöhe betrug nie weniger als satte drei bis vier (Dezi-)Meter.

Harte Überfahrt


Unterwegs tauen die Fahrer auf und es wird viel zusammen gefachsimpelt. Da dämmert es dem Morei. Die harten Endurofahrer hatten vielleicht schlichtweg Angst vor der Unpässlichkeit auf einer sechzigstündigen Passage durch den Nordatlantik seekrank zu werden. Hartnäckig macht ein Gerücht die Runde, dass kurz vor dem Schließen der Ladeklappe noch ein Guzzi-Fahrer an Bord gelangt sei.


Irgendwann stößt der Morei auf Giorgio. In dem ausgedehnten Gespräch stellen sie fest, dass sie gemeinsame Bekannte, nämlich Andy und Elsbeth (California Gespann) aus der Schweiz haben, denen der Morei mal zwei Tage lang etwas von Schleswig-Holstein gezeigt hat.


Mitten im Nordatlantik einen Guzzitreiber zu treffen und festzustellen gemeinsame gute Bekannte zu haben, gibt dem Morei das Gefühl angekommen zu sein. Unterwegs zu Hause.

Torshavn, Faröer. - Kleine Hauptstadt, kleiner Stadtplan.


Nach einem undramatischen Spaziergang in Torshavn kommt irgendwann die isländische Ostküste in Sicht. Nach einer derart langen Seereise eine Insel anzusteuern gehört auf besondere Art zu den Höhepunkten eines Reiselebens.


Aus der Vogelperspektive muss das Oberdeck wie eine Ameisenkolonie ausgesehen haben. Die faszinierende Kulisse der gut 25 km langen Einfahrt in den Seydisfordur (Fjord) treibt die Reisenden an Deck umher. Der Morei beobachtet die aufgeregten Reisenden und hat das Gefühl, dass kaum einem wirklich bewusst ist, dass man sich ohne Mütze (und gerne auch Handschuhe) nicht an Deck aufhalten kann. Auffallend sind auch die weit hinab reichenden Schneeflächen an der gebirgigen Küste.

Island in Sicht


Seydisfordur, DER Fährhafen an der isländischen Ostküste.


Über sieben Treppen musst Du gehen

Noch vor dem Einlaufen in DEN Fährhafen Islands, werden die Fahrzeugführer und Mitfahrer zu ihren Vehikeln gebeten. Bereits in dem Stau auf den (gefühlt mindestens sieben) Niedergängen zum Fahrzeugdeck wird der Morei, wie die anderen Mopedfahrer ebenfalls, Gefangener des Motorradfahrer-Fährschiff-Dilemmas. Gerüstet für die Widrigkeiten der Witterung ist man noch am treffendsten außen an Deck aufgehoben. Beginnt es innerhalb der normalen Decks kritisch zu werden, ist es auf den Fahrzeugdecks die reinste Katastrophe. Schwitzen wir nach Island.


Grobstollig bereifte Motorräder werden von den Zurrgurten befreit und Gepäckstücke gesichert. In Hightech-Anzügen steckende Menschen schütteln Hände und verabschieden sich mit besten Wünschen für die Tour. Dem Morei kommt die Szene wie das Lager auf dem Everest Südsattel bei einem Gipfelversuch vor. Wenn es auch natürlich lange nicht so extrem ist, zählt eine Reise auf dem Motorrad rund um Island schon irgendwie zu den 14 höchsten Zielen eines Motorradreiseenthusiasten. Kurz bevor die Eisenpferde an der Reihe sind von Deck gelassen zu werden, folgt die finale Handlung, Handschuhe und Helme werden übergezogen. Die mutigen Motorradfahrer tauschen noch die wissenden Blicke einer eingeschworenen Gemeinschaft aus und mit einem aufmunternden Nicken geht es los. Es ist ein bisschen wie beim Start einer großen Rallye, die Rampe herunter gegen das gleißende Sonnenlicht geht es auf die sagenhafte Insel aus Feuer und Eis, Island.


Keine fünf Minuten später finden sich mehr oder weniger alle vor dem einzigen (?) Geldautomaten der Hafen-„Stadt“ wieder und grinsen sich an. First Checkpoint.


Der erste Reisetag auf einer unglaublichen Insel

Der gemeinsame Rampenauftritt und das Wiedersehen am Zahlungsmittelspender vermittelt dem Morei letztendlich doch ein gewisses Wir-Gefühl. Jeder tüdelt irgendwie noch herum und dann starten die Enduristen.

Der erste Teil der Route


Da fliegen sie fort, die klingelnden alten BMW GS-Zweiventiler, die kernig ballernden KTM’s und die wenigstens etwas nach V2 (wenn auch schüchtern) blubbernden Transalps und Africa Twins von Honda. Rasch werden die ersten Maschinen kleiner und klettern die Paßstraße hinauf. Seydisfordur liegt schließlich am Ende eines Fjords…

Das ist eine ganz große Szene mit Gänsehaut-Feeling.

Rückblick zum Fjord, auf Seydisfordur und auf die Norröna.


Eine Gänsehaut verursacht dann auch die Lufttemperatur beim Erklimmen der Passstraße. Sah es von See noch malerisch aus mit dem weißen Belag auf den Bergen, wird jetzt kristallklar, dass es sich natürlich um Schnee handelt. Und dieser bevorzugt lebenserhaltende Temperaturen, die nicht wesentlich über dem Gefrierpunkt liegen. Beim ersten Stop nach wenigen Kilometern werden nicht die Butterbrote, sondern die Sonnenbrille ausgepackt. Ansonsten ist es fast nicht möglich etwas zu sehen, so stark wird auf der erreichten Hochebene die Sonne von der Schneeoberfläche reflektiert. Ebenso schnell wie die Sonnenschutzoptik aufgesetzt ist, werden auch die Handschuhe wieder angezogen.


Die ersten Kilometer auf Island.


Es ist Anfang Juni, die Sonne scheint, der Polarkreis verläuft 200 km nördlich und es ist klirrend kalt ! Und es ist ein schier unbeschreibliches Gefühl hier unterwegs zu sein, Schnee soweit das Auge reicht.

Das ist Balsam auf Morei’s Seele. Er ist sicherlich schon etwas herumgekommen, aber das hier ist unglaublich beeindruckend. Gleichzeitig verdunkeln leichte Zweifel den Himmel der Begeisterung. Mit dem außergewöhnlich harten Winter 2009/10 im geistigen Gepäck drängt sich die Frage auf, wie es hier wohl, gelinde gesagt, ohne Sonne aussieht. (Im übrigen eine Frage, die sechzehn Tage später eindringlich beantwortet wird.) Und vor allem, wie sieht es im restlichen Island aus ? Der Morei sieht sich bereits ernsthaft über verschneite Straßen und Pisten mühen und versucht leicht verkrampft optimistisch zu bleiben.


Letztendlich setzt sich ein Gefühl des mit sich und der Welt Zufriedenseins durch. Und das bringt dem Morei auch den sonst gewohnten Optimismus zurück. Sollte es tatsächlich schneien, bleibt die erfreuliche Tatsache, dass man im Schnee nicht so schnell einen Plattfuß bekommt. Der Begriff „Abenteuer“, dieser fast schon abgedroschenen, durchkommerzialisierte Begriff „Abenteuer“ kommt in den Sinn. Der Morei verwendet dieses Wort ungern. Wenn die Definition von Abenteuer irgendwie auch was mit nicht planbaren Ereignissen und ungewissem Ausgang zu tun hat, dann sind die meisten „angebotenen“ Abenteuer eben genau dies nicht. Auf diesen ersten Kilometern auf der Insel aus Feuer und Eis stellt sich jedoch das aufregende Gefühl der Ungewissheit ein.


Dennoch ist es ebenso erfreulich wie besänftigend am Ende der siebenhundert Meter hohen Hochebene festzustellen, dass es im Tal auf maximal zweihundert Höhenmetern im Grünen weitergeht. Der erste Ort, fast schon eine kleine Stadt, gibt das beruhigende Signal, über die Existenz weiterer Menschen auf der Insel. In Egilsstadir stellt sich dem Reisenden die simple Frage rechts oder links. Es erscheint müßig zu diskutieren in welcher Richtung die Insel zu umrunden ist. Es mag ebenso viele Rechts- wie Linksgründe geben. Den Morei ziehen die einsamen Küsten des Nordens an. Die Gletscherlagune (eine Tagesreise linksherum) soll als langersehnter Höhepunkt für das Ende aufbewahrt werden. Außerdem herrscht Südwestwind. Und dabei ist es im tendenziell trockeneren Nordosten noch trockener. Die Niederungen im Südwesten weisen durchnschnittlich 2.000 bis 4.000 mm Niederschlag jährlich auf, auf dem Vatnajökull sollen es angeblich bis zu 8.000 mm und im Hochland 600 mm sein. Im Nordosten ist es etwas mehr als im Hochland. Zum Vergleich : Das maritime Klima von Kiel verzeichnet im Schnitt 750 mm. Let’s go north.


Der Nordroute folgend gelingt es dem Morei rasch die fast durchgehend asphaltierte, erst in den siebziger Jahren ??? komplettierte, Ringstraße zu verlassen, um dem Küstenverlauf zu folgen. Nicht lange lässt der Moment auf sich warten, auf den alle Enduristen scharf sind. Das Ende der befestigten Fahrbahnoberfläche.

MALBIK ENDAR - Ende der Asphaltstraße


Der Morei ist mit der leichten Maschine und den Geländereifen höchst zufrieden. Die transalpine Honda funktioniert nicht nur jenseits der Alpen, sondern offensichtlich auch jenseits des Atlantiks. Der Wechsel von langen Passagen über Hochflächen mit schneebedeckten Bergketten am Horizont


Impressionen für's Leben.


und Pistenabschnitten, die unmittelbar am Meer entlang führen, ist schlichtweg unglaublich. Bereits der erste Tag bringt derart dichtes Landschaftserleben mit sich, dass er alleine es wert war sechzig Stunden über das Meer zu fahren.


Direkt am Nordmeer entlang. Ein Traum.


Nach rund 240 km findet der Fahrtag in Pörshöfn auf der im äußersten Nordosten gelegenen Langanes Halbinsel sein Ende. Der „Campingplatz“ ist eine Wiese am Rand des Dorfes, Aussicht auf das Meer inklusive. Eine Holzhütte beheimatet eine einfache aber saubere Sanitäreinrichtung. Was braucht der Mensch mehr ? Am Abend kommt eine junge Frau vorbei, um die (günstige) Übernachtungsgebühr zu kassieren.


Die Isländer und das Wetter

Die Morei ist froh auf eine eingeborene isländische Seele zu stoßen und freut sich auf etwas Smalltalk. Die Angelegenheit will nicht in Gang kommen. Es liegt weder an dem uncharmanten Morei, noch an der unfreundlichen Isländerin, das nun wirklich nicht. Der freundlich gemeinte Lob des sonnigen Wetters wird lediglich mit der Bemerkung quittiert, letzte Woche habe es noch geschneit. Angesicht der aktuellen Tagestemperaturen zwischen drei und sieben Grad ist das sogar sehr glaubhaft.


Es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass Isländer besonders kühl sind, wie der Morei später herausfindet. Es ist einfach schlicht weg völlig aussichtslos sich mit einem Isländer über das Wetter unterhalten zu wollen. Mag es in Deutschland eine nicht Knigge gemäße, aber landläufig tolerierte Gesprächseröffnung sein, ist es in Großbritannien fast unhöflich nicht über das Wetter zu reden. Für Isländer ist es einfach kein Thema, denn das Einzige was beim Wetter sicher ist, ist die Tatsache, dass es sich ändert. Und das mitunter verdammt schnell. Es können durchaus alle vier Jahreszeiten wie im Zeitraffer innerhalb einer Stunde durchrauschen.


Jedenfalls erscheint die Wahrnehmung, dass mindestens bei jedem zweiten Haus in Porshöfn ein Snowscooter in der Einfahrt steht, in einem ganz anderen Licht. Irgendwann im Schlafsack liegend und den Tag reflektiernd, vernimmt der Morei ein Geräusch, welches ihm seltsam bekannt vorkommt, aber irgendwie nicht hierher passt. Nach einigem Lauschen und Überlegen ist die Ursache identifiziert. Es ist ein Rasenmäher, abends um 22:00, 50 km südlich vom Polarkreis. Skurril ist nicht skurril genug. Der Morei dämmert weg, ohne sich weiter zu wundern.


Vom nordöstlichen Norden zum nordwestlichen Norden

Ostisland liegt außerhalb der aktiven Vulkanzone und ist derart karg, dass es kaum landwirtschaftlich nutzbare Flächen gibt. Auch was Politik und Kultur betrifft, handelt es sich eher um eine dünn besiedelte Randlage. Dennoch finden sich spektakuläre Landschaften und bunte Fischerdörfer.


Der Nordosten ist durch zwei ganz unterschiedliche Landschaftstypen geprägt. Nördlich des Vatnajökull erstreckt sich eine unbewohnte und unerschlossene Hochfläche. Im Westen schließt sich die Jökuldalsheidi mit durchschnittlich 800-900 m hohen , langgezogenen Bergrücken an.

Routenverlauf im Nordwesten


Vom Meer hypnotisch angezogen folgt der Morei der Küstenlinie und umrundet die 1000 km² große unfruchtbare und überwiegend flache Halbinsel Melrakkasletta, einer der am dünnsten besiedelten Landstriche der isländischen Küste. Der Polarkreis ist nur wenige Kilometer entfernt. Im Winter ist dieses Gebiet seeseitig durch Treibeis isoliert. Dieses unwirtliche Land ist der Lebensraum des Polarfuchses. Malrakkasletta bedeutet Fuchsebene.

Dank 172mm hinten und 200 mm Federweg vorne schwebt der Morei verzückt durch diese ebenso lebensfeindliche wie faszinierende Ödnis. Subarktische Wildnis zur Linken und das Nordmeer zur Rechten sind die richtigen Mittel für Moreis eigene Seelsorge. Über den Seelenzustand der Isländer lässt sich auch nicht viel sagen, denn es gibt hier einfach keine. Mutig attackierende Seevögelchen und Schafe sind die einzigen Lebenswesen, die den Weg kreuzen.


Die Schafe der isländischen Hemisphäre

Die Aufenthaltsdauer des Morei auf Island ist nicht ausreichend, um in der Schafssprache wesentliche Fortschritte zu erzielen. Die Klassifizierung der wolligen Vierbeiner erschließt sich dagegen recht schnell. Die isländischen Schafe können im wesentlichen in drei Klassen eingeteilt werden. Die Klasse eins Schafe (einstellige Ordnungskennzahl) sind absolut cool und lassen sich nicht durch Fahrzeuge jeglicher Art beeindrucken, selbst wenn sie fast unmittelbar neben der meist asphaltierten Fahrbahn grasen.


Klasse zwei Schafe (zweistellige Ordnungskennzahl) sind da bereits deutlich sensibler. Unabhängig von der Art der Fahrbahn (rauer Asphalt, gute Pisten, mäßige Pisten) halten sie in Regel deutlich mehr Abstand selbst zu bekannten Fahrzeugen. Ungewöhnliche einspurige Fahrzeuge lösen sofortige Fluchtreaktionen aus, wobei die eingeschlagene Richtung unsinniger Weise sich auch mit dem Kurs der Fahrzeuge kreuzen kann.
Klasse drei Schafe (dreistellige Ordnungskennzahl) sind hingegen die reinsten Sensibelchen. Egal ob sie auf oder neben den schon wirklich rauen Pisten (auf denen eh nicht schnell gefahren werden kann) lagern, nehmen sie hochgradig panisch reiß aus vor allem, was nicht wollig ist und sich auf vier dünnen Beinen fortbewegt. Die Freak Sheeps (ein „F“ vor der dreistelligen Ordnungskennzahl) sind absolut unberechenbar und flippen auf ihren Rumpelwegen vor allem was nicht nach Grashalm aussieht, völlig aus.
Wie der Morei feststellen kann, wird in einem rauen Land wie Island vieles pragmatisch gehandhabt. So wurde das Schafsklassifizierungssystem einfach für die Straßeneinteilung übernommen.


Island sucht den Superstar

In Island gibt es rund 13.000 km Straßen, von denen 4.300 km asphaltiert sind. Die Ringstraße Nr. 1 ist 1336 km lang und bis auf Teilstücke in den Bergen südlich von Egilstadir durchgehend asphaltiert. Sie folgt grob dem Küstenverlauf, schneidet aber die Halbinseln im Norden und in den Westfjorden ab. Sie konnte erst 1974 mit den letzten Brücken im weitläufigen Sander-Gebiet von Skaftafell fertiggestellt werden.
Im Norden sowie in den Westfjorden sind Schotterpisten Standard. Die Hochland- und sonstigen F-Pisten können eine wirklich raue Angelegenheit sein.


Wie der Morei mehrfach erfahren und erleben konnte, sind Beschreibungen und Empfehlungen von Pisten neben den harten Fakten auch immer durch aktuelle Umstände und persönliche Färbung gekennzeichnet. Otto Meier, Durchschnitts-BMW-GS-Fahrer wird schnell auf die Ebene des Schotters geerdet, wenn er feststellt, seine sechs Zentner schwere Fuhre nicht so leichtfüßig bewegen zu können, wie die Profi-Piloten im Werbevideo. Manche geschilderte Extrempiste liegt für die Leichtenduro Fahrer noch voll im Spaßbereich.


Einige Schotterpisten unterliegen regelmäßigen Unterhaltungsarbeiten. Es wird gewässert und mehr oder weniger planiert. Es ist dann ein sehr großer Unterschied, ob so eine Piste am Tag vor oder nach den Arbeiten befahren wird. Zudem kann sich der Charakter einer Piste durch Witterungseinflüsse extrem verändern. Bei Trockenheit problemlos, können sich Abschnitte bei Regen in schmierseifige Rutschbahnen verwandeln.


Sehr besonders und an Überraschungsmoment hoch im Kurs stehend sind Baustellenabschnitte, womöglich noch im Regen. Durchwühlt von tiefen Spuren schwerer Baufahrzeuge können sie problematischer als manche Hochlandpiste sein. Baustellenabschnitte können auf Island schon mal 20 km lang sein…
F-Pisten kommen eher selten (oder vielleicht sogar nie) in den Genuss von Unterhaltungsarbeiten. Sie können sehr rau sein, erfordern Durchquerungen von Furten und können den Durchschnittsenduristen auch auf einer leichteren Enduro an seine Grenzen bringen.


Loser Untergrund kann Spaß machen, wogegen Steinpisten (Steindurchmesser > 5 cm) voll nervig sind. Gegen Wellblechpisten hilft der richtige Speed (wenn das Moped genügend Federweg hat). 40 bis 60 km/h können ein probates Mittel gegen diese ansonsten lästigen Querrippen sein.

Raue Landschaft


Von der Fuchshalbinsel kommend schlägt der Morei den Kurs zum Dettifoss ein (Foss = Wasserfall). Die Route führt über die 864 (also dreistellig !) ins einige hundert Meter hoch gelegene Landesinnere. Plötzlich versackt die dahinfliegende Honda in die Bodenlosigkeit eines mit Flugsand gefüllten Makrosuperschlaglochs. Gefühlt ist die Maschine mindestens bis zu den Radnaben versunken. Mit Gewichtsverlagerung nach hinten und ordentlich Gasgeben hat sie sich dann durchgewühlt. Zum Glück war das Ende der Senke eher einer Rampe als eine senkrechte Kante. Erkennbar war dies im besagten Moment jedoch keineswegs. Auf der Rückpassage der Fähre erwies sich dies als Islands Superstar unter den Schlaglöchern. Nahezu alle Mopedfahrer, die von Norden kommend zum Dettifoss fuhren, haben diese atemberaubende Bekanntschaft gemacht.


Belohnung Dettifoss


Der Schrecken wird mit einer Pause an dem mächtigen Dettifoss belohnt. Auf 100m breite stürzen hier pro Sekunde 200m³ trübes, graues Gletscherwasser 44m in die Tiefe.
Auf zum Teil sehr sandiger Passage geht es anschließend tiefer ins Landesinnere.
An dieser Stelle möchte der Morei unbedingt darauf hinweisen, dass sich Island durchaus in sitzender Weise bereisen lässt. In Reise- und Zubehörkatalogen sind, aus welchem Grund auch immer, die Fotos mit in den Fußrasten stehenden Fahrern deutlich überrepräsentiert. Zwar ist es empfehlenswert hin und wieder den Hintern hoch zu nehmen aber überwiegend macht man auch auf Island Gebrauch von der Sitzbank.
Es ist erstaunlich für welch hohe zivilisatorische Leistung man ein schmales Asphaltband hält, wenn man soeben über 50km auf einer Dreistelligen zurückgelegt hat. Vollends vermeiden lässt sich die Ringstraße Nr 1 eben auch im Norden nicht.


Lava-Kobold

Westwärts führt die Route nach Namaskard, Islands bekanntestem Solfatorengebiet. Es zischt , brodelt, blubbert und stinkt. Im Mittelalter wurde hier Schwefel zur Herstellung von Schießpulver und Sprengstoff abgebaut. Vom 13. Bis 16. Jahrhundert lohnte sich die Sache, dann sank der Schwefelpreis.

Solfatoren


Nach einem kleinen geschwungenen Paß erreicht der Morei das Gebiet des Myvatn. Es erfordert kein Studium des Altnordischen, um auf die Idee zu kommen, dass dies „Mückenwasser“ ,also „Mückensee“ bedeuten könnte. Erst recht nicht, wenn Myriaden dieser Plagegeister im Anflug sind, sobald die Maschine steht. Daher ist ein schön windexponierter Platz für das Zelt die erste Wahl. Im Wesentlichen geht die Rechnung auch auf, wenngleich gesagt werden muss, die isländischen Mosquitos sind bemerkenswert starkwindtauglich. Aber irgendwann müssen auch sie kapitulieren.


Wohlig wärmendes Geothermal-Pool


Außentemperatur bedingt wird das Abendessen etwas zügiger geschaufelt, weil es eben etwas zugiger ist. Belohnt wird der Morei aber mit dem Ausblick auf den See, die zahlreichen vulkanischen Krater und einen Lavastrom, welcher direkt vor dem Zelt verläuft. Das Zeug wirkt so plastisch, als sei es erst letzte Woche erkaltet. Käme ein kleiner Hobbit aus einer Spalte gehüpft, würde das hier vermutlich niemanden ernsthaft verwundern oder gar beunruhigen. Bereits nach zwei Tagen und nicht einmal 600km stellt sich das Gefühl ein, nicht nur bereits ewig unterwegs zu sein, sondern in einer komplett anderen Welt zu existieren. Entstiege dem steinernden Gebilde tatsächlich ein kleiner Lava-Kobold, würde der Morei einfach etwas zur Seite rücken, um ihm Platz zum Verweilen zu machen.

Am Myvatn


Weiter westwärts

Auf dem Weg nach Westen verdient die Tröllaskagi Halbinsel besondere Beachtung. Auch hier ist es äußerst lohnenswert die Nr 1 zu verlassen, der Küste zu folgen und einen schönen alpinen Pass zu fahren.


Eine höchst willkommene Abwechslung ist Akureyri, die Hauptstadt des Nordens, wie die Isländer sie nennen. Ganzjährig von schneebedeckten Bergen umgeben, liegt sie am Ende des über 50km langen Eyjafjördur. 1816 lebten 45 Personen im Ort, heute ist Akureyri mit rund 17.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Islands. Lange war sie neben Reykjavik die zweitgrößte Stadt, aber Trabantenstädte nahe der Landeshauptstadt haben ihr den Rang abgelaufen.


Das Tal des Fjordes gehört zu den am intensivsten genutzten Landwirtschaftsflächen des Landes. Insgesamt dominiert aber die fischverarbeitende Industrie die Wirtschaft. Neben einer der größten Fischereiflotten ist hier auch die größte Konservenfabrik Islands beheimatet.

Blick auf Akureyri


Kaffekultur nahe am Polarkreis


Für Kurzweiligkeit in der freien Zeit sorgen im Sommer Kajak- und im Winter Skisportmöglichkeiten und die „Blaa Kaanan“ (ganzjährig). Nicht nur, dass dort der womöglich beste Kaffee Islands serviert wird (tagsüber), es scheint auch ein breites Musik- und Unterhaltungsangebot zu geben (die Nacht durch). Zweites zu testen bleibt dem Morei aus Zeitgründen leider versagt. Aber ihm wird glaubhaft die Feierfreude der Isländer versichert.


Ihn zieht es weiter nach Norden. Auf der 82 begegnen ihm wunderschöne isländische Fjordeinblicke. Es ist eine kleine Kostprobe auf die gewaltigen Westfjorde. Ein echter Hochgenuss ist der etwa 630m hohe Pisten-Pass auf dem Weg nach Siglufördur, der nördlichsten Stadt Islands.

Fischerort an der Nordküste


Trockenfisch


Haus am Fjord


Impressionen eines isländischen Passes



Sommerurlaub


Über lange Zeit war die Stadt das Zentrum des Heringfangs. Norwegische Geschäftsleute bauten ab 1903 Fischfabriken und Salzsiedereien. Den Heringen gleich strömten in der Fangsaison Arbeiter aus dem ganzen Land in die Stadt. Es herrschte ein regelrechter „Heringsrausch“. Im Jahr 1916 weisen die Chroniken 200.000 Fässer mit Salzhering für den Export aus. In dieser Blütezeit erwirtschaftete Siglufjördur nahezu die Hälfte der Exporteinnahmen Islands.


Bei dem Hintergrund lockt der Besuch des Heringsmuseums. Im oberen Stockwerk befinden sich die authentischen Wohn- und Schlafräume der damaligen Arbeiter. Beim Durchwandeln der Räume ist der Hauch der Historie zu spüren.

Empfehlenswertes Museum 


Rätselhafte Westfjorde

Lange hängt der Morei der Stimmung des Museums nach und versucht die früheren Lebensbedingungen zu begreifen. Vielleicht ist das die richtige Einstimmung für die Bereisung der schweren Landschaft der Westfjorde. Auf 10% der Landesfläche  leben knapp 4% der Bevölkerung. Von den 5.000km Küstenlinie Islands entfallen gut 2.000km alleine auf die Westfjorde. Die Berge sind hoch, die Hänge steil und das Inland ist unerschlossen. Die Westfjorde gehören zu den ältesten Teilen der Insel und bestehen vor allem aus Basalt. Aktiven Vulkanismus gibt es nicht und die sonst für Island typischen Lavafelder sind auch nicht zu finden. Gewaltige eiszeitliche Gletscher haben ihre Spuren hinterlassen und tief eingeschnittene, manchmal düster wirkende Fjorde prägen das Bild. Der Drangajökull schiebt seine eisige Zunge bis ins Meer.


Eher selten liegt die Region auf der Route von Islandtouristen. Die Wegführung in den Westfjorden folgt konsequent der Küstenlinie. In den wenigen Ausnahmen stößt der Morei auf die schönsten, höchsten und kurvenreichsten Pisten-Pässe des Landes.

Pisten Pässe


Verlassene Höfe und Häuser geben Zeugnis von der anhaltenden Landflucht der Menschen, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Hier bekommt die landläufige Aussage der Isländer, sie würden an der Grenze der bewohnbaren Welt leben, konkrete Bedeutung. Von Bjargtangar, dem westlichsten Punkt sind es nur 278km nach Grönland. In Richtung Süden ist das nächste Festland die Antarktis.

Küstenstraße in den Westfjorden


Die Sehnsüchte des Reisenden unterscheiden sich völlig von denen der Bewohner. Perspektivlosigkeit, Einsamkeit und das düstere Licht eines langen harten Winters, lassen den Weg in die Depression und zum Alkohol oft kürzer werden. Die Selbstmordrate zählt zu den höchsten der Welt.


Auf den Morei wirkt das Ganze zwar nicht morbid, aber er kommt sich schon irgendwie ausgesetzt vor. Da ist es kaum verwunderlich, dass sich ausgerechnet hier einige der skurrilsten Situationen der Reise ereignen.


Als erstes geht das Entfernungsgefühl verloren. Ein Blick in die Karte ist nicht mehr ausreichend, um abzuschätzen wie weit es von A nach B ist. Zu verschlungen sind die Fjorde. An der Mündung eines Fjordes erscheint das nur zwei oder drei Kilometer entfernte gegenüberliegende Ufer zum Greifen nah. Auf dem Boden der Tatsachen bedeutet dies oft 25 oder 30km diesseits in das Fjordinnere zu fahren und die gleiche Distanz noch einmal auf der anderen Seite zurückzulegen, um letztendlich zwei bis drei Kilometer weiter gekommen zu sein.


Infolge dessen rattert im Kopf permanent der Rechenschieber zur Ermittlung der Restreichweite bis zur nächsten vermeintlichen Tankmöglichkeit. Von Tankstelle im westeuropäischen Sinne kann meistens eh nicht gesprochen werden. Die Zapfsäule von Reykjanes könnte treffend mit dem Slogan „Letze Tankmöglichkeit vor dem Nordpol“ umworben werden.

Letzte Tankstelle vor dem Nordpol


Absolut bizarr erscheint das plötzliche Auftauchen eines gar nicht so kleinen Schrottplatzes, in einer Gegend, in der es wenig Menschen, noch weniger Autos und eine Verkehrsdichte von weniger als einer handvoll  Fahrzeugen pro Stunde gibt. Der Morei hält instinktiv an, um diesen Anblick zu verinnerlichen. Was für ein Kauz mag wohl der Besitzer sein ? Vielleicht ist er eine Art moderner Jon Primus, der noch vieles andere im Repertoire hat, als nur alte Autos. Die Verlockung ist verdammt groß, auf den Hof zu fahren und einfach wegen einer Belanglosigkeit (nach Wasser fragen oder so) anzuklopfen….aber irgendwie wäre das nicht ehrlich und daher wird die Fahrt mit bleibenden Fragen fortgesetzt.


Als wäre seelischer Beistand in dieser rauen Region besonders gefragt, kreuzt sich der Weg auffallend häufig mit Gunnar aus Dänemark.

Gunnar auf seiner Transalp


Es bleibt nie nur bei einem Gruß. Ein Schwätzchen muss sein und so werden auch wichtige Informationen über Gegenden, Straßen und Pisten ausgetauscht.

Gunnar ist ein in sich ruhender und dennoch rastloser Rentner. Ein sehr sympathischer, unaufdringlicher Typ. Beim typischen Mopedtreff würde er wahrscheinlich übersehen werden. Aber es ist Gunnar, der auf jedem Kontinent der Erde (natürlich außer der Antarktis) auf eigener Achse unterwegs war. Und es ist Gunnar, der im Laufe der Island Tour mit seiner Transalp die 100.000km voll machen wird. Und es ist nicht seine erste Transalp, die unter seinem Hintern sechsstellig wird.


Patreksfjördur ist mit 700 Einwohnern einer der größten Orte der Westfjörde. Der Name stammt von den ersten irisch-keltischen Bewohnern. Laut Reiseführer gibt es einen Campingplatz und malerische Berge. Die Berge entpuppen sich als Schutthänge und den Campingplatz kennt kein Mensch, fast kein Mensch. Schlussendlich wird der Morei auf den Sportplatz oberhalb des Ortes gelotst.


Grasflächen jeglicher Art sind Luxus pur für Nachtlager auf der kargen Insel. Dazu gibt es einen beheizten Sanitärcontainer (mit Stahlseilen und Bodenankern gegen wilde Winde gesichert) mit fließend warm Wasser. Und es gibt eine Bank, die rasch den Standort vom Container zum Tunnelzelt wechselt. Über den Dächern von Patrekfjördür, grandiose Aussicht (mindestens zu der einen Seite). Das Moped findet Platz in der Anlaufbahn der rudimentären Weitsprunggrube und das Zelt steht im Torraum. Die nächste Fußball-WM findet mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Patreksfjördür statt.

Übernachtungsplatz in Patreksfjördur


Während im kalten, strammen Wind selbst das Teewasser wieder einmal viel zu schnell kalt wird, kreisen die Gedanken des Moreis um den imaginären Mittelpunkt des Spielfeldes. Wie in aller Welt schaffen es die Leute hier Fußball zu spielen, wenn der nächste die Bezeichnung wirklich verdienende Ort fast eine Tagesreise entfernt ist ? Und sind nicht einige Isländer tatsächlich als Fuß- und Handballprofis auf dem europäischen Kontinent beschäftigt ? Wie kann ein Land mit einer durchschnittlichen Bevölkerungsdicht von 3 Einwohnern pro Quadratkilometer überhaupt so gute Mannschaftssportler hervorbringen ? Wieder bleiben offene Fragen.


Suchbild mit seltenem Isländer (flüchtig auf dem Rad).


Am folgenden Morgen auf dem Weg zum 404m hohen ersten Paß des Tages beschleicht den Morei plötzlich das schlechte Gewissen. Hat er doch glatt vergessen die Bank zurück an den Container zu stellen. Aufgrund der minderen Schwere des Vergehens wird die Umkehr verworfen. Im nächsten Augenblick stellt sich ernsthaft die Frage, ob die Bank nicht vielleicht in fünf Jahren noch an genau der Stelle steht ?


Das Wetter ist durchdringend feuchtkalt und die Küste bleibt einsam aber fahrerisch abwechslungsreich. Es handelt sich quasi um dreidimensionales Motorradfahren. Sich schlängelnde Kurve in der Horizontalen, 16%ige Schotterserpentinen im Raum und wenn es denn mal ein kleines Stück geradeaus geht, sind kurze, steile Kuppen zu überwinden, die keinerlei Sicht auf Entgegenkommer ermöglichen, nicht umsonst so genannte Blindheads. Enduro-Achterbahnfahren.


Nahezu im Nirgendwo steht ein Hotel an der Straße. Der Morei philosophiert darüber, wie sich an so einem irrwitzigen Standort so ein Haus betreiben lässt. Einziger Ausweg scheint der Bustourismus zu sein. Mag die Frequenz der Busse auch nicht sonderlich hoch sein, spült so ein Vehikel immerhin vierzig bis fünfzig Menschen ins Etablissement.
Die Gelegenheit zu einem heißen Kaffee verleitet zu einem Stop. Dass die Isländer gerne und reichlich dem Kaffee zu neigen, zeigt sich in der Tatsache, dass praktischer Weise gleich eine kleine Thermoskanne serviert wird. Schmunzeld kommen dem Morei die zahlreichen Kaffeepassagen aus dem Roman „Am Gletscher“ in den Sinn. Das Beibehalten von Gewohnheiten gibt das geborgene Gefühl von Beständigkeit in einer rauen Umgebung, die nun zunehmend unter den Einfluss kalt feuchter Luftmassen gerät. An dieser Stelle seien auch die für Island unabdingbaren Prinz-Polo Kekse erwähnt, denen der Vebi in der Erzählung den Geschmack süsslichen Bimssteines zuordnet.


Das Glühlampenzimmer und die Straßenbaugang

An einem Tag ziert eine intensive Halo-Erscheinung die Sonne und die Entwicklung der Wolkenformationen ruft bei dem Morei eine besondere Erinnerung hervor. Beim letzten Mal als er eine ähnliche Beobachtung gemacht hat, saß er anschließend zweieinhalb Tage im Schneesturm auf einer Hütte im norwegischen Fjell fest.


Dem glücklichen Zufall geschuldet, findet sich an diesem Abend nicht nur ein Guesthouse in einem kleinen Ort, sondern es ist sogar ein Mini-Zimmer (das Letzte) frei. Betrieben wird dieses Haus, in dem man normalerweise keinem wirklichen „Gast“ ein Zimmer zumuten würde, von einem Vater-Sohn-Gespann, welches von den Segnungen des Putzteufels nicht einmal im Entferntesten gestreift wurden. Die nackte Glühlampe in der Deckenfassung bringt den Morei jedenfalls nicht aus der Fassung. Just in dem Moment, in dem das nötigste Gepäck im Haus ist, brüllt ein gigantischer Sturm los. (Später wird von Böen mit 40 bis 50m/Sekunde berichtet.) Heftige Hagelschauer geben gefühlt Grund zur Sorge der Tank könnte verbeulen (was natürlich nicht eingetreten ist). Plötzlich erscheint das puritanische Zimmerchen gar nicht mehr so unkomfortabel.

Suite de Luxe


Die verblüffende Tatsache, dass das Haus ausgebucht ist (zur Vorsaison in einer abgelegenen Gegend), rührt von einer Straßenbaugang her, die den Laden unter Beschlag hat. Dies bedeutet schon einmal vom Grundsatz her, schlammige Stiefel im Vorflur und besockte Männerfüße, auch im Kneipenbereich, wo das Essen serviert wird. Sie sitzen alle an einem großen Tisch, aber gesprochen wird kaum. Das wirkt befremdlich, aber wahrscheinlich ist einfach alles Notwendige gesagt. Am nächsten Tag sitzt wahrscheinlich jeder wieder auf seiner Baumaschine oder in seinem Lkw und der Austausch findet per Funk statt, was eben so gesagt werden muss.


Für das Duschen müssen sich die Jungs offenbar Mut antrinken. Bis der letzte damit durch ist und die Biervorräte der Kneipe gelenzt sind, ist dann doch noch mächtig Radau in der Bude. An Einschlafen ist nicht zu denken. Aber draußen tobt das Unwetter und der Morei liegt unter einem dichten, nicht flatternden Dach. Zudem wird es am nächsten Morgen ein Frühstück ohne kalte Finger geben. Kein Hilton der Welt könnte momentan besser sein. Je länger man unterwegs ist, desto mehr verschieben sich die Maßstäbe.

Die Halbinsel Snaefellsnes bildet den Übergang der Landschaftstypen. Auf der Nordseite fjordartig mit steile Hängen ausgeprägt, herrscht im Süden eine sumpfige Graslandschaft vor. Der nicht nur geografische Höhepunkt des langen Schlenkers um die Halbinsel ist allerdings der 1446m hohe Snaefellsjökull. Dabei handelt es sich um den von einer „Gletschermütze“ bedeckten vielleicht schönsten Stratovulkan Islands.

Dem Snaefellsjökull-Gletscher sagen die Isländer magische Kräfte nach. Bereits in den Sagas wird erwähnt, wer den Gletscher einmal gesehen hat, wird immer wieder dorthin zurückkehren.


In den Bann des Gletschers gezogen, wird dem Morei klar, warum Laxness Geschichte nur an diesem Gletscher geschehen kann.
Auch Jules Vernes (1825-1905) ließ sich von diesem Gletscher faszinieren. In seinem Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ steigen der Mineralogieprofessor Otto Lindenbrock und seine Begleiter über den Krater des Snaefellsjökull in das Innere der Erde…(wieder heraus kommen sie übrigens am Stromboli).


Das goldene Dreieck

Route im Südwesten


Vermutlich heißt das sogenannte goldene Dreieck deswegen so, weil die von Reykjavik ausgehend, in einer Tagesreise erreichbaren touristischen Ziele in etwa die Fläche eines Dreiecks aufspannen. Der Vergoldungsfaktor lässt sich über Schlammblubb mal Besucherzahl ermitteln.


Nach nun mehr als 2.500km gönnt sich der Morei eine Pause in der Landeshauptstadt, um nicht ganz den Anschluss an die Zivilisation zu verlieren.
Ähnlich mögen viele Isländer denken. Von den jährlich 4.000 Isländern, die aus ländlichen Gebieten in die Städte ziehen, landen viele im Großraum Reykjavik, in dem zusammen mit Reykjavik (117.000) rund 195.000 Menschen leben. Das sind 62% der Bevölkerung Islands. Die zehntgrößte Stadt Islands hat dagegen nur noch deutlich weniger als 5.000 Einwohner.

Reykjafik traditionell


Reykjafik modern


Die nördlichste Hauptstadt der Welt ist der bedeutendste Wirtschafsstandort des Landes. In Keflavik, 40km südwestlich, befindet sich der internationale Flughafen, über den der größte Teil der rund 360.000 Besucher pro Jahr abgewickelt wird. Dies sind mehr Besucher als Island Einwohner hat (317.000).

Reykjavik zeigt sich gerne ultramodern, hipp und trendy. Das Nachtleben kann als ausgesprochen ausgelassen bezeichnet werden. Der Morei genießt die Zeit im Café Paris. Es ist super interessant dort zu verweilen und die stästischen Isländer draußen zu beobachten. Das Café liegt am Platz Austurvöllur mitten im Herz der pulsierenden Stadt. In einer Stunde nimmt der Morei mehr Menschen wahr, als bisher auf der ganzen Reise. Vom ausgeflippten Teenie über bürgerliche Herrschaften bis zum Harley-Poser ist alles dabei. Sichere Zeichen für eine moderne Großstadt.


Die Bücher, die Schreiber und die Leser


Island hat als Kulturnation durchaus Berühmtheit erlangt. Ein geflügeltes Wort behauptet, dass jeder zweite Erwachsene in dem Land ein Schriftsteller sei. Unstrittig ist, dass Halldor Laxness den folgenden Schriftstellergenerationen das Tor zur Welt geöffnet hat und isländische Literatur längst zu einem Export- und Markenartikel geworden ist. Nicht immer kann unterschieden werden, ob in einer Buchhandlung auch Kaffee ausgeschenkt wird oder ob in einem Café-Shop Lesestoff angeboten wird. Im Jahr 2011 wird Island unter dem Motto „Sagenhaftes Island“ Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse sein.

In Cafés wird tatsächlich gelesen oder in Buchhandlungen Café getrunken.


Die Isländer und die EU

Eher traurige Berühmtheit hat der isländische Bankensektor erlangt. Laut dem US-amerikanischen Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman war Island im April 2009 vor Irland und Österreich das Land mit dem größten Risiko eines Staatsbankrotts. Die drei größten Banken erlebten nach ihren sehr riskanten internationalen Kreditgeschäften einen Absturz und konnten nur durch Verstaatlichung vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Sie hinterlassen Island einen Schuldenberg vom Zehnfachen der bisherigen jährlichen Wirtschaftsleistung.


Aufgrund der Finanzkrise wurde die Isländische Krone massiv abgewertet. So stieg der Kurs des Euro gegenüber der ISK im Zeitraum Oktober 2007 bis Oktober 2008 um mehr als 200 % an. Der isländische Leitzins wurde im Oktober 2008 auf 18 % erhöht. (Daher ist Reisen in Island derzeit vergleichsweise günstig.)


Die OECD beobachtet mittlerweile eine beträchtliche Konsolidierung im Wirtschaftsbereich und sieht Anzeichen für einen beginnenden Aufschwung. Die Kommission empfiehlt die Ansiedlung energieintensiver Unternehmen. Die Stromerzeugung Islands ist vollständig regenerativ. Rund 75% wird durch Wasserkraft und 25% durch Geothermie erzeugt. Mit steigender Tendenz zeichneten Aluminiumhütten mit steigender Tendenz in den Jahren 2000 bis 2004 für 50% des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich. Niedrige Energiepreise und tiefwassertaugliche Standorte sind für die enorm energieintensive Aluminiumherstellung wichtige Standortfaktoren. In der Tat sind in manchen Fjorden die mächtigen Hütten zu beobachten.


Trotz der Finanzkrise liegt das pro-Kopf-Einkommen in Island noch immer an der Weltspitze. Die Lebenserwartung der Isländer ist eine der höchsten der Welt und in der Liste des menschlichen Entwicklungsstandes, dem Human Development Index (HDI), lag Island weltweit ab November 2007 erstmals auf Platz eins, knapp vor Norwegen.
Vor der Krise zeigte Island keine Ambitionen EU-Vollmitglied zu werden. Das hat unter anderem mit Fischereirechten zu tun. Fischprodukte machen mehr als 75% der Exporte Islands aus. Zum Schutz der Fischgründe wurde mehrfach in der Geschichte die Schutzzone ausgedehnt. Dies führte zu den sogenannten“ Kabeljaukriegen“ in den siebziger Jahren. Die Briten akzeptierten die Schutzzone nicht und in der Eskalation des Streites wurden britische Trawler von der Navy begleitet.


Aus leicht verständlichen Motiven sucht Island derzeit den EU-Anschluss. Botschafter S.H. Johannesson, Chefverhandler der Regierung, über den isländischen EU-Beitritt zeigt sich gegenwärtig zuversichtlich, dass die EU besondere Rücksichtnahme für das kleine , fischereiabhängige Land zeigt.


Die blaue Lagune und der rote Brand

Nach großstädtischem Müßiggang gönnt sich der Morei noch einen Tag in dem bekanntesten Naturbad Islands, der blauen Lagune, südwestlich von Reykjavik.

Wohlige Entspannung in der blauen Lagune



Das Tiefenwasser der Lagune ist von Natur aus mit Kieselerde, Salz und Algen angereichert. Das ist Entspannung pur und der Morei aalt sich genüsslich einen halben Tag in dem wärmenden Wässerchen. Nur der Kopf ist den kühlen Lufttemperaturen ausgesetzt. Obwohl die Sonne nicht direkt scheint und sich Schultern sowie Oberkörper die ganze Zeit unter Wasser befinden, handelt sich der Morei einen ausgewachsenen Sonnenbrand ein, der das abendliche Einschlafen an den folgenden Abenden nicht gerade versüßt.


Interessante Begegnung auf dem Lagunenparkplatz






Die Diagonale des Dreiecks

Auf Island kann auch Geometrie verwunderlich sein. Auf der Weiterfahrt sollen die touristischen Highlights auf eine Linie gebracht werden, ohne im Dreieck fahren zu müssen. Geysire, Solfatore und Wasserfälle sind für sich genommen in Ordnung, aber in diesem Dreieck herrscht eine völlig andere Atmosphäre als in dem einsamen Norden. Busladungen, Andenkenbuden, Schnellimbisse und 9-Loch-Golf am Geysir lassen den Morei die Naturschauspiele anders erleben als im Norden. Dennoch völlig faszinierend wirkt auf ihn das Gebiet von Pingvellir. Nicht nur, dass es sich um eine altisländische Thingstätte handelt, hier gibt es auch Plattentektonik zum Anfassen.


Während sich in Mitteleuropa die Königtümer um die Kaiserwürde streiten, entsteht auf Island ein oligarchisches Gesellschaftssystem. Das Althing als Versammlung gleichgestellter Goden ist damit zusammen mit dem färöischen Lögting eines der ersten parlamentarischen Systeme in Europa überhaupt (nach der Demokratie im Griechenland des Altertums). Die sowohl gesetzgebende als auch rechtsprechende Versammlung trat alljährlich in Pingvellier zusammen. Das Godentum überdauerte fast 300 Jahre, ehe es mit der Unterwerfung unter die Norweger im Jahre 1262 endete.


Nicht in menschengeschichtlichen, sondern zunächst erdgeschichtlichen Dimensionen ist die Tatsache zu betrachten, dass Island mitten in der „Aufreißzone“ im Scheitels des Mittelatlantischen Rücken liegt, der hier gewissermaßen zu Tage tritt. Somit liegt Island sowohl auf der Nordamerikanische als auch auf der Eurasischen Platte. Die Plattengrenzen ziehen sich von Südwesten nach Nordosten über die Insel. Die Platten entfernen sich etwa 2 cm pro Jahr voneinander. Vulkanismus sorgt für ständigen Nachschub von geschmolzenem Gesteinsmaterial, so dass die Insel nicht auseinanderbricht. Das bedeutet, hier findet Erdgeschichte in für Menschen mess- und begreifbaren Dimensionen ab. Eine höchst spannende Angelegenheit.

Die Mutter der Geysire


Aufreißer


Gullfoss


Beauty Contest


Wo ist Gas und Bremse?


Der Tanz auf dem Vulkan

Der letzte große Reiseabschnitt ist durch Weite, Weite, Weite, Vulkane und Gletscher geprägt. Zum Abschluss im Osten gibt es dann noch eine kleine Erinnerung an die Fjordlandschaften mit ihren spannenden Pisten.

Südöstlicher Teil der Route bis zum Fährhafen.


Sanderflächen so eben und weit wie das Meer und vergletscherte Vulkane am Horizont sind eine großartige Kulisse. Die Straßen sind gerader als mit dem Lineal gezogen. Die Sonne wird zeitweise von den dichten Wolken der Sandstürme verdunkelt. Und die brave, blaue kleine Honda schnurrt ihre Spur dem Horizont entgegen. Das ist der Stoff für Moreis persönlichen Road Movie.


Road Movie Kulisse


Gletscherränder locken immer wieder auf raue, rumpelige Wege, jenseits der Ringstraße. Die isländischen Gletscher sind übrigens keine Überbleibsel aus der Eiszeit. Sie entstanden erst vor rund 2.500 Jahren. Zur Zeit der Besiedlung, um das Jahr 1100, war die Vergletscherung des Landes noch nicht so groß wie heute. Nach 1400 sank die Temperatur und die Gletscher begannen sich auszudehnen. Der Versuch eine bestimmte, auch 1994 aufgesuchte, Gletscherzunge des Myrdalsjökull anzusteuern, scheitert schlichtweg am Sand. Schwarzer Sand ist in atemraubender Dichte in der Luft und Sand ist radnabentief im Gelände, in dem kaum noch die Piste zu erkennen ist.


Verwüstungen


Lava Asche


Mit zunehmender Entfernung vom Eyafjallajökull bessern sich die Bedingungen und die Ausflüge ins Abseits werden erfolgreicher. Überraschend stößt der Reisende in den Hochtälern auf für isländische Verhältnisse große Höfe. Offenbar haben sich dort nährstoffreiche Sedimente angereichert, die Landwirtschaft möglich machen.


Gletscherzunge abseits der Ringstraße



Die Isländer leben auf aktiven Vulkanzonen. Durchschnittlich alle fünf bis sechs Jahre bricht einer der Vulkane aus. Nach geologischen Berechnungen sind zwischen 1500 und 1900 n.Chr. auf dem Festland und dem Meeresboden rund um Island insgesamt 16 Millionen km³ Lava ausgeflossen. Das entspricht einem Drittel aller in diesem Zeitraum entstandenen Lavaausflüssen der Erde.

Am 20. März dieses Jahres kommt es zur ersten und am 14. April zur zweiten Eruption des Eyjafjallajökull. Der Vulkan ist mit 700.000 Jahren einer der ältesten Islands und sein Chemismus ist an sich nicht explosiv. Haraldur Sigurdsson, der Nestor der isländischen Vulkanologie beschreibt den Vulkan als „eher introvertierten Typ“…„ein müder alter Mann“. In tückischer Weise vermischte sich jedoch das aufsteigende Magma mit dem im Krater liegenden Eis. In der Folge verwandelte sich das Eis explosionsartig zu Dampf und zerstäubte dabei das Magma regelrecht zu Puder, wie Sigurdsson den Vorgang beschreibt.


Der müde, alte Mann schafft, was Orkane, Terroristen und Grippeviren nicht schaffen, nämlich alle großen Flugdrehkreuze Europas lahmzulegen. Die scharfkantigen Aschepartikel können einen Flieger nicht nur komplett Sandstrahlen, sondern auch in den Turbinen verschmelzen und somit die Kühlluft-Bohrungen verstopfen. Es wird ein Flugverbot verhängt, rund hunderttausend Flüge werden gestrichen.
Die Fluggesellschaften machen schnell Politiker als Buhmänner aus und wollen davon ablenken, dass sie es sind, die zusammen mit der Luftfahrtindustrie ein schlecht vorbereitetes Warnsystem zu verantworten haben, welches sich in der Krise verselbstständigte. Im Notfallplan gibt es bisher nicht einmal Grenzwerte für die Konzentration von Vulkanasche. Neben dem Schutzschild der Sicherheit geht es den Fluggesellschaften natürlich schlichtweg um Geld. Um viel Geld. Nur zu gerne würden die Fluggesellschaften Schadenersatzansprüche gegenüber den Triebwerksherstellern und Flugzeugbauern geltend machen.


Die Komplettrevision einer Turbine kostet etwa vier Millionen Euro. Als 1989 ein Jumbojet der niederländischen Airline KLM in die Aschewolke des Vulkans Mount Redoubt geriet, musste der gerade erst in Dienst gestellte Jumbo quasi runderneuert werden. Kosten : 80 Millionen Dollar.


In Island geht es Betroffenen schlichtweg um die Existenz. Manche müssen ihre Höfe aufgeben, andere verharren in der Ungewissheit zwischen Angst und Hoffnung. Der Betreiber eines Pferdehofes berichtet dem Morei, wie sie um ihren in mehr als zwanzig Jahren aufgebauten Hof bangten, als der Wind drehte und drohte die Asche in ihre Richtung zu transportieren. Es ging noch einmal gut, aber es fehlten nur 40 Grad in der Windrichtung.


Während in Mitteleuropa weiter über Kompetenzen und Kopeken lamentiert wird, führen isländische Wissenschaftler ihre Beobachtungen und Auswertungen fort. Der betreffende Berg ist unter Bewachung. GPS-Stationen messen dreidimensional auf fünf Millimeter genau, ob sich der Berg bewegt oder aufwölbt. Seismische Stationen erfassen Vibrationen und die Fließgewässer werden hydrogeologisch kontrolliert.
Man will hier nicht vom Erwachen der großen Brüder des Eyjafjallajökull überrascht werden. Die Katla tritt in der Regel kurz nach dem Eyja in Aktion. Sie Hekla bricht mit frappierender Regelmäßigkeit alle zehn Jahre aus. Und sie ist längst überfällig.


Horst und der Campingplatz

Mit einem Gefühl von Betroffenheit setzt der Morei auf der schnurrenden Honda seinen Weg fort nach Osten. Die Ortschaften sind klein, das Landschaftserlebnis groß. Einige andere Reisende versuchen hier ebenfalls ihre Lust nach purer Landschaft zu stillen, aber es ist keinesfalls überbevölkert. Eigentlich eine schöne Mischung. Die Campingplätze werden komfortabler und größer. Allmählich kanalisiert sich die Routenführung der Reisenden, die in wenigen Tagen wieder die Norröna besteigen werden. Bewusst hat sich der Morei bisher mit Tipps wie „absolutes Muss“ zurückgehalten. Zu unterschiedlich können dazu die Vorstellungen von Reisenden sein. Aber wer einmal zu drei Seiten von Gletschern umgeben zelten möchte und vom geöffneten Zelt aus einen gigantischen Gletscher erleben will, für den ist der Campingplatz Skaftafjell tatsächlich ein absolutes „Muss“.


Überhaupt ist das Zelten die logische Konsequenz des freien Unterwegsseins. Denn richtig frei ist der Morei erst, wenn er seine Nomdenbehausung auf seinem Eisenpferd dabei hat und unabhängig von Reservierungen, Etappenplanungen, Dresscode und Zentralheizung ist.


Wie schön ist es doch nach einem langen Tag im Sattel, gegen Kälte und Vulkanaschesturm kämpfend, in der friedlichen Nische des Zeltes zu liegen. Das Zeltdach flattert im Wind und raschelt diese besondere Einschlafmelodie. Die Temperatur liegt bereits unter fünf Grad Celsius, der Schlafsack ist bis zur Kapuze geschlossen und die wohlige Wärme lässt die Strapazen des Tages vergessen. Das Bewusstsein wechselt in den wattigen Dämmerungszustand des sanften Entschlummerns. Dabei laufen die Bilder, diese ungeheuer atmosphärisch dichten Bilder, an dem inneren Auge vorbei. Großes Kino.


Das Ende eines ereignisreichen Tages. Nicht ganz. Gibt es da nicht diesen unangenehmen Druck ? Natürlich hat der Morei tagsüber wieder zu wenig getrunken. Und natürlich hat der Morei wieder versucht dies abends mit Tee zu kompensieren. Und natürlich muss der Morei nun irgendwo hin mit dem verflixten Tee. Und das mitten in der kalten Nacht.
Noch im halben Wachwerden verzichtet der Morei darauf sich kompliziert und komplett in der Enge des Zeltes anzuziehen. Also rein in die Motorradstiefel und los. Auf halbem Weg, mitten auf dem Campingplatz, trifft den Morei plötzlich die unangenehme Erkenntnis der Peinlichkeit. Im selben Moment kommt ihm diese unsägliche Tatort-Szene „Horst Szymanski in Tanga und Cowboystiefeln“ in den Sinn.


Nun trägt der Morei neben den Motorradstiefeln keinen Tanga, aber immerhin eine kurze Pyjamahose, eine hauchdünne, kurze Seidenpyjamahose (natürlich aus Gepäck-Gewichtsgründen). Zum Glück ist es Nacht.


Aber mit dem vermeintlichen Schutz der Nacht ist es knapp südlich des Polarkreises im Juni auch nicht wirklich weit her. Mit anderen Worten, es ist so viel Nacht wie in den heimischen Breiten  an einem Sommersonnentag, an dem eine dunkle Wolke durchzieht. Na super. Großes Kino. - Nein, es gibt zum Glück kein Foto von der Szene...

Selbsterklärend



Vatnajökull

Für den Morei versinnbildlicht nichts mehr die Vorstellung der Insel aus Feuer und Eis, als der Inlandsgletscher Vatnajökull. Seine Gletscherzungen habe die Ausmaße ganzer Alpengletscher. Insgesamt bedeckt der Vatnajökull eine Fläche von über 8.000km². Stellenweise ist das Eis bis zu 1.000m mächtig. Ist das alleine schon bemerkenswert, so liegt seine wahre Besonderheit in den Vulkanen unter dem Eis.


Im November 1996 kam es zu einem folgenschweren Vulkanausbruch unter dem Eis. Der dadurch verursachte Gletscherlauf hatte ungeheuer zerstörerische Wirkung. Experten gingen anfangs von einer Wassermenge von 20.000m³/Sekunde aus, tatsächlich schwollen die verheerenden Fluten auf 50.000m³/Sekunde an (vergl. Dettifoss : 200m³/sek). Die kolossalen Fluten rissen Eisblöcke von 10m x 10m x 20m mit Gewichten von 1.000 bis 2.000 Tonnen mit sich. Brücken (376m und 176m) sowie Straßendämme wurden vollständig zerstört. Für Wochen war die wichtige Verkehrsader der Ringstraße unterbrochen.

Luftaufnahme von 1996


Massivste stählerne Brückenelemente, deformiert wie Wachskerzen in der prallen Sonne sind bei Skaftafell als Mahnmale zu bestaunen. Da wächst der Respekt vor den Naturgewalten und der Morei kommt sich deutlich kleiner vor, als er seine Fahrt nach Osten fortsetzt.


Dieser Eindruck wird dann noch verstärkt, als die Ausdehnung der Sanderfläche abnimmt und zur rechten Hand die endlose Weite des Nordatlantiks auftaucht, während zur Linken der gewaltige Gletscher mit seinem gleißenden Licht alles überstrahlt.
Die Straße ist mühelos zu befahren und stellt keine besonderen Anforderungen. Daher kann der Morei seine ganze Aufmerksamkeit der Landschaft widmen. Wie schön es ist, jetzt nicht die Fensterperspektive eines Autofahrers zu haben. Ständig wandert der Kopf von links nach rechts und wieder retour, um alles aufzunehmen. Bisweilen hilft es dann etwas neben dem Sattel zu hängen, weil sich dadurch der Blickwinkel nach hinten deutlich vergrößert. All zu viele Autofahrer, die sich über die komische Art Motorrad zu fahren wundern könnten, sind eh nicht unterwegs.


Und dann taucht sie auf, die faszinierende Lagune, die Quelle der leidenschaftlichen Fernweh-Träume. Eisbrocken treiben vom Jökulsarlon in das offene Meer. Am schwarzen Lavasandstrand glitzern kristallklare Eisstücke wie Diamanten in der Sonne. Und dann all dieses Eis. Eis zum Anfassen, Eis in der Ferne. Klar, weiß, blau und immer wieder durchzogen mit schwarzen Aschestreifen von Vulkanausbrüchen. Wahrlich dies ist die Insel aus Feuer und Eis.


An dieser Stelle spricht der Morei eine weitere, sonst nicht geliebte, hier aber unbedingte „Muss-Empfehlung“ aus. Eine Fahrt ins Eis. Auf ausgemusterten Amphibienfahrzeugen der amerikanischen Streitkräfte werden Fahrten auf dem Jökulsarlon angeboten. Untermalt wird die Fahrt von einer jungen Dame, die allerhand Daten, Fakten und Zusammenhänge erläutert. Als besonderen Gimmick gibt es für jeden ein Stück Eis zum Lutschen. Bei einem Alter von rund 20.000 Jahren, dürfte es das Älteste sein, was man jemals zu sich nimmt (es sei denn jemand knabbert gerne Steine). Für einen James Bond Film wurde der Zufluss zum Meer abgeschottet, damit die Lagune aufgestaut werden konnte. Auf der dadurch entstandenen Eisfläche wurden die legendären Eisszenen mit dem Aston Martin gedreht. Das Eis war so mächtig, dass selbst Grace Jones es nicht zum Schmelzen bringen konnte.


Der Morei sitzt noch eine ganze Weile, schaut, staunt und genießt. In gewisser Weise geht damit die Reise zu Ende. Das große Ziel, das Sinnbild für die Insel aus Feuer und Eis ist erreicht. Es ist der Moment des zufriedenen Zurücklehnens und Insichgehens.

Traumziel Lagune am Vatnajökull





Aber noch ist der Morei nicht im Fährhafen. Vor ihm liegt der Rest der heutigen, eine weitere Fjord-Etappe sowie ein Ausflug ins Inland, der allerdings hauptsächlich zu einem kalten Hintern, klammen Fingern und der Erkenntnis führt, dass es zu früh im Jahr für Hochlandfahrten ist, da die Pisten noch gesperrt sind.


Walhall - rechts halten

Walhall ist für die Germanen reserviert, die zwar tapfer und heldenhaft aber letztendlich erfolglos gekämpft haben, weil sie nämlich den kürzeren gezogen haben. Immerhin können sie sich mit der Aussicht trösten, von den Walküren wach geküsst zu werden und somit Einlass in den Totenpalast in Asgard gewährt zu bekommen, wo es reichlich Met und zartes Fleisch gibt.


Wer nicht im heldenhaften Kampf fällt, sondern krankheitsbedingt oder einfach aus Gründen des Alters, also in jedem Fall kampflos, stirbt, kommt nach Helheim (Nifhel), ins Reich der Totengöttin Hel, in die Hölle.
Der Morei philosophiert darüber, was denn nun mit den Kämpfern passierte, die stets siegreich waren und dann alt wurden…

Sportlich germanisch unterwegs


Auch ihnen dürfte demnach ein Platz bei Frau Hel sicher gewesen sein. Das ist doch ein Scheiß Deal. Die Germanen haben es offenbar auch nicht leicht gehabt.
Mit der Melodie von Wagners „Ritt der Walküre“ im Kopf und einem selbstzufriedenen Grinsen im Gesicht dreht der Morei den Gashahn auf und folgt der kurvenreichen Hanglagen-Piste (rechts unter ihm das Meer) an der Grenze zum Drift. Wer will schon nach Helheim ?


Zweifel an der Welt

Der Morei ist nicht gänzlich unbedarft was das Reisen angeht. Manche ungewöhnliche Erfahrung ist auf seiner Haben-Seite und so schnell wirft in nichts aus der Bahn. Aber dennoch überkommen ihn in der Schlussphase der Reise erhebliche Zweifel daran, das die Welt noch in Ordnung ist. Noch auf keiner Reise fehlte, was hier fehlt. Ist es die Wirtschaftskrise oder hat es einen tragischen Identitätsverlust gegeben ? Doch dann, nach vierzehn von sechzehn Fahrtagen atmet er erleichtert auf. Die Welt ist wieder im Lot. - Er sichtet einen niederländischen Wohnwagen.


Niederländischer Wohnwagen auf Island



Sonstige Schilderungen aus Island

Besondere Gegebenheiten erfordern besondere Hinweise. Manche Schilder sind selbstredend und manche sind zum Schmunzeln… Welche Blüten ein EU-Beitritt diesbezüglich treiben könnte, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.

Die Warnung vor einem "Blind Head" ist offensichtlich und nachvollziehbar.


Diese Warnung ist ebenfalls einleuchtend.


Wo hier die Fußgänger herkommen sollen, bleibt mir ein Rätsel.


Wahrscheinlich notwendig, weil die Isländer hier flott unterwegs sind.


0h. Nur 60 km/h. Na, da geht noch was...


Auch selbsterklärend.


Wahr und unwahr

Es ist nicht wahr, dass man auf Island keine Motorräder leihen kann, wie standardmäßig in Reiseführern (ab-)geschrieben wird.

Dave und Ken aus Boston, USA auf gemieteten Yamaha XT 660 (inkl Seitentaschen). Der internationale Tour- und Leihmoped-Anbieter „Travel Overland“ macht es ab Reykjavik möglich.


Es ist nicht wahr, dass Island nur mit hochgerüsteten Enduros bereist werden kann

Mit der Vespa rund Island


Wahr ist, dass dieser Schweizer mit der Vespa auch seinen Spaß hatte und sie für ihn persönlich das ideale Gerät ist. („Wer hat’s erfunden ?“)


Finale Bilanz

Der liebenswerte Gunnar ist zum vierten Mal auf Island und er bezeugt, niemals so extreme Witterungsbedingungen gehabt zu haben. Noch nie hat er auf seinen Island-Trips derart gutes Wetter erwischt. Dass es auch anders geht erfährt der Morei zum Schluss und wertet dies als den mahnenden Fingerzeig des germanischen Wettergottes.


Auf den letzten 21km ist der anfangs beschrieben Pass nun von Egilstadir nach Seydisfjördur zu bewältigen. Der erste Teil des Anstieges verläuft unkapriziös. Die weiter oben zu sehenden Wolken geben keinen Anlass zur Sorge. Bis der Morei dann weiter nach oben gelangt. Es herrscht Nebel,  dichtester Nebel. Die wahrnehmbare Sichtweite beträgt Null Meter. Die Temperatur liegt sehr, sehr nahe des Gefrierpunktes. Es ist nicht auszumachen ob es regnet, schneit oder sprühnebelt. Die Straße unter der Honda glitzert verdächtig. In der Erinnerung liegt die Straße auf einem vielleicht 2m hohen Damm. Und nun ist nichts zu erkennen. Selbst die Straßenbegrenzung nicht so wirklich. Der undurchdringliche Nebel in Verbindung mit den Schneeflächen führt zu einem echten „white out“, wie im Gebirge in einem Schneegestöber. Zudem weht ein ausgewachsener Starkwind. Es erfordert Geschick und Entschlossenheit sowohl auf der Straße als auch auf dem Moped zu bleiben.


Die Mahnung ist ernst zu nehmen. Auf Island können die Bedingungen sehr rasch umschlagen und in Verbindung mit an sich vielleicht unkritischen Ereignissen eine Eskalationskaskade auslösen.

In Island unterwegs


Und was ist mit dem Morei und der Seelsorge ? – Zunächst ist zu sagen, dass sich der Bericht bei weitem nicht so entwickelt hat, wie gedacht. Es zeigte sich als zu ambitioniert und letztendlich zu persönlich für eine Homepage.
Dennoch ist er auf die Abgeschiedenheit der Gletscher gestoßen und hat skurrile Bekanntschaften gemacht. Auch ist er auf eine (persönliche) „Wahrheit“ gestoßen, die sich nicht protokollieren läßt.


Der Morei mag keine platten Kalenderblattweisheiten, kann aber eingestehen, dass man manchmal weit fahren muss, um bei sich selbst anzukommen. So gesehen hat sich die Seelsorge im eigenen Dienst als erfolgreich erwiesen.
Desweiteren bevorzugt der Morei eindeutig die seminomadisierende Lebensweise. Der Reiz loszufahren steigert sich mit dem Bewußtsein, wiederkehren zu können.
Im starken Kontrast zum Alltag empfindet der Morei es als Befreiung, unterwegs keine Bremslichter vor sich zu haben oder stets in den Rückspiegel schauen zu müssen.
Trotzdem möchte er sich bei all den Menschen bedanken, deren Kurse er kreuzte oder auch mal parallel begleitete.


Auch wenn es auf Island keine Elfenbeauftragte gibt, so ist der braven, blauen Honda doch eine elfenzauberhafte Wandlung widerfahren. Sie ist von der verwunschenen Winterschlampe zur prima Pistenprinzessin geworden.

Gunnar und der Morei. Noch nicht zu Hause und schon neue Ziele im Blick…



Nachtrag

Erleben ist subjektiv. Und das ist ja auch gut so, denn ansonsten bräuchten wir ja nicht loszuziehen und könnten einfach alles nachlesen. Also nichts wie auf’s Moped. Der Bericht des Motorradreisenden ist naturgemäß von begrenzter Detailtiefe.


Sollte daher jemand weitergehende Fragen haben, kann er den Morei gerne kontakten. Vielleicht kann informiert, geholfen oder motiviert werden.



Text und Fotos Andreas Thier 07/2010