Gespannkurs
Was kann mehr begeistern als sich auf zwei Rädern fortzubewegen?
Sich auf drei Rädern fortzubewegen? - Möglicherweise...
Bei der Suche nach einer Antwort erscheinen mir innerlich Bilder und Szenen von Don Camillo und Peppone und ich muss unwillkürlich schmunzeln.
Zudem bin ich wohl ohnehin Zwei- bis Dreirad affin sozialisiert worden. Aufgewachsen mit Erzählungen meiner Mutter, wie Opa und Oma mit ihr im Beiwagen unterwegs waren oder Geschichten meines Vaters, wie er im Beiwagen seines älteren Bruders (mein Onkel Heinz) den Schmiermaxen gemacht hat, lassen nur eine logische Konsequenz zu. -
Versuch macht klug!
Aber wie probiert man Gespannfahren aus? Abgesehen davon, dass keine Gespanne bei einem Händler um die Ecke stehen und darauf warten Probegefahren zu werden, erscheinen berechtigte Bedenken, dass es möglicherweise gar nicht einfach ist, so ein Gefährt zu pilotieren.
Ein Blick auf die üblichen Plattformen für Gebrauchtfahrzeuge erschließt zumindest ein kleines Spektrum an Dreirädern. Für ein begrenztes Angebot von vielleicht drei Dutzend Gespannen ist eine verblüffend große Spanne in Ausführung, Zustand und Preis festzustellen.
So richtig hilft das nicht weiter. Obwohl ich bereits ein Auge auf ein günstiges Gespann geworfen habe. Genau zum richtigen Zeitpunkt, wie sich später herausstellt, erfahre ich von einem Gespannkurs. Wie cool ist das denn? Und dann findet der Kurs sogar nur knapp fünfzig Kilometer nördlich von meinem Wohnort statt. - Angemeldet!
Freudig aufgedreht fahre ich auf meiner Griso zum Trainingsgelände, wo bereits Peter Sauer und Elsbeth Müller mit Gespannen aus ihrer Schmiede auf die Teilnehmer warten. Abgesehen davon, dass sie beide super nett sind, besteht ein Vorteil des Kurses darin, dass sie den Teilnehmern Gespanne zur Verfügung stellen.
Nachdem wir uns intensiv theoretisch mit den Grundlagen beschäftigt haben, geht es physisch an die Gespanne heran. Die erste praktische Kontaktaufnahme besteht im Schieben, rechts und links herum. Spätestens dabei dämmert es, dass Gespannfahren wohl irgendwie eine ominöse Angelegenheit zu sein scheint.
Es gibt jedenfalls eklatante Unterschiede zwischen links und rechts herum. Elsbeth und Peter machen das klasse mit uns Novizen. Sie selber sind echte Cracks und unterrichten auch Speedgespannfahren auf dem Nürburgring. Und dennoch sind sie mit uns Anfängern wirklich engagiert. Lotta, ihre Hündin auch. Lotta ist leidenschaftlich engagierte Mitfahrerin. Sobald mal ein Boot frei ist, hüpft sie vor der Abfahrt hinein.
Der Kurs ist definitiv das Beste, was einem als Gespann Interessierter passieren kann. Wir fahren die unterschiedlichsten Gespanne mit ihren spezifischen Eigenschaften und Bremssystemen (!). Alle Teilnehmer machen gute Fortschritte und bereits am zweiten Tag ist das kontrollierte Anheben des dritten Rades möglich.
Obwohl die Bandbreite bis zum sehr sportlichen Yamaha V-Max Gespann reicht, hat es das MZ Gespann allen irgendwie angetan. Verwindungssteifigkeit, Bremskraft und Richtungsstabilität werden hier in einem anderen Maßstab definiert. Aber wenn man das fahren kann, kann man wahrscheinlich auch viele andere Gespanne fahren.
Als ich mir nach einer Pause die MZ greifen will, eilt Peter geschwind herbei, um sie mir zu starten, damit die Zündkerze nicht nach zahlreichen erfolglosen Kickstartversuchen verölt. Nach meinem Einwand billigt er mir einen (!) Versuch zu.
Natürlich springt sie beim ersten Versuch an...grins. Schließlich bin ich selber lange genug Emme gefahren. Ich kläre ihn auf. Wir lachen beide.
Aber wie klug bin ich nun nach den zwei Tagen Gespannfahren?
Wie so ein Gespann grundsätzlich fährt habe ich erfahren. Ich habe auch im wahrsten Sinne des Wortes erfahren, wie unterschiedlich Bremssysteme wirken. In jedem Fall bewahrt mich die Erfahrung davor, mal eben ein einfaches Gespann zum Einsteigen anzuschaffen, das möglicherweise völlig untauglich und damit gefährlich ist.
Die Fahrübungen sind mir weitestgehend gelungen und ich fühle mich nicht unsicher. Aber eine durchschlagende Begeisterung will sich nicht so richtig einstellen. Vermutlich hat mich die Tatsache, dass Gespannfahren fahrdynamisch absolut nichts mit Motorradfahren zu tun hat, zu unvorbereitet erwischt.
So bleibt die Frage offen, ob sich quasi mit "rückwirkender Vorbereitung" nicht doch noch irgendwann die Begeisterung einstellt.... :)
Bleibende Fragen
Schauen wir mal, wie sich die Gespannfrage dann langfristig beantworten wird. Vielleicht bekommt die Sache irgendwann doch noch "Projektstatus". Denn eigentlich ist es ja auch ganz einfach, wie hier zu sehen ist.
Und wenn man es kann - kann es so entspannt sein.
Text und Fotos (außer die von Don Camillo und Peppone) Andreas Thier 09/2008